Was ist ein Studiolo?


Dieses Studiolo ist der Versuch, das Konzept der Studierzimmer (Studiolo) der frühen Renaissance neu zu beleben bzw. für das Museum fruchtbar zu machen. Studiolos bestanden neben den so genannten Schatz- und Wunderkammern an fürstlichen Höfen und gingen im Laufe der Zeit häufig in diesen und später mit diesen in Museen auf. Einige Studiolos haben sich noch erhalten oder konnten rekonstruiert werden.

Antonello da Messina: Der hl. Hieronymus im Gehäuse, 1474, National Gallery London

 

Das Studiolo im British Museum London

 

Alexander von Humboldt in seiner Bibliothek“, Chromolithographische Kopie einer Zeichnung mit Wasserfarben von Eduard Hildebrandt, 1856 (Berlin: Storch & Kramer) (Princeton University, Graphic Arts Collection)

 

Im Rahmen des Museums- und Sammlungskonzepts des Oderbruchmuseum Altranft kommt dem Studiolo eine besondere Rolle zu: Anstelle des ursprünglich geplanten, doch mangels Masse nicht realisierbaren Schaudepots eingerichtet, ist es im Unterschied zu einer Schausammlung als ein Arbeitsraum konzipiert, in dem Sammlungsobjekte aller Art, Bücher, Dokumente und Medien aufbewahrt und diese von den Besucher/innen in angemessener Weise in Gebrauch genommen werden können.

Zentrale Elemente des Studiolo sind ein wandgroßes Regal und ein großer Arbeitstisch. Das in hundert Fächer unterteilte Regal gibt durch seine Struktur bzw. die in ihm aufbewahrten Dinge Themen vor, die dokumentiert sind bzw. in Zukunft bearbeitet werden sollen.  Der Arbeitstisch dient dazu, vorhandene Objekte zur Diskussion zu stellen oder neue Objekte oder Dokumente vorzustellen, die in das Studiolo aufgenommen werden können.

Das Studiolo ist als ein offenes Archiv mit sowohl dokumentierendem wie prospektivem Charakter angelegt: Es ist der Ort, an dem die Entwicklung der Sammlungen des Oderbruchmuseum Altranft zur Diskussion gestellt, reflektiert und erprobt werden können und fungiert als Scharnier zwischen dem Vorhandenen und dem, was erreicht werden soll. Anhand des Vorgezeigten soll es die Besucher/innen anregen, sich mit dem Oderbruch auseinanderzusetzen, sie ermutigen, den Bestand durch eigene Beiträge zu erweitern, zu differenzieren und zu präzisieren oder Hinweise darauf zu geben, in welcher Hinsicht oder Weise er weiterentwickelt werden könnte. Daher wird sich das Studiolo in dem Maße, wie es beansprucht wird, fortlaufend verändern, wobei alle Bewegungen in einem Inventarbuch notiert und damit nachvollziehbar gemacht werden sollen.

Die gegenwärtige Bestückung aus den vorhandenen Beständen ist deshalb als vorläufig zu verstehen; sie wird nach Maßgabe der Möglichkeiten kontinuierlich ergänzt, erweitert und verdichtet; wobei, insoweit sich in diesem Prozess einige Objekte als dauerhaft, andere jedoch als vergänglich erweisen werden, das Studiolo auch den Musealisierungsprozess selbst nachvollziehbar machen kann. Primäres Ziel bleibt jedoch, im Studiolo das Oderbruch unter möglichst unterschiedlichen und verschiedenen Gesichtspunkten konzeptionell zu erfassen; das heißt, die Objekte, die hier gezeigt werden, sollen den Charakter von Leitfossilien und als Ensemble den eines Index haben, also nicht zuletzt auch auf andere Bestände, Orte und Quellen im Museum und im Oderbruch verweisen und ihren Zusammenhang anschaubar machen.

Michael Fehr